1988

15.1.88

Culture Space

Claus Maria Kästle

Malerei

Schon die Einladung verfährt mit interessanten asiatisch anmutenden Zeichen. Bedenkt man den Titel, so wird jedoch schnell klar, dass Kästle hier eher an außerirdische Zeichen gedacht hat. Die planetenartig gestalteten Rundbilder, Sternenkonstellationen auf dunklem Hintergrund von Schwarzlicht erleuchtet machen alles klar. Sehr auffällig sind auch die ungewöhnlichen Formate (Kästle verwendet mehrfach ausgesprochen lange Rechtecke), das Arbeiten auf Plastikuntergründen und die teilweise reliefartige Gestaltung der Flächen. Die starke Leuchtkraft der Farben im tiefen Blau der Räume – ein intensives Erlebnis!


19.2. – 4.3.88

Blaue Installation

Dieter Blümel

Installation

Die Räume zum Klingen bringen – Dies ist Dieter Blümel mit seiner Ausstellung im Atelier Sömmering wirklich gelungen. Erst nach der Vernissage im gleißenden Sonnenlicht, das durch das Glasdach in die Halle drang, kam die blau marmorierte quadratische Stele zentral vor der Stirnwand so richtig zur Geltung. Der schlanke, fast schalenartig wirkende Kreisausschnitt aus blaugefärbtem Holz, der durch zwei goldene Stützen auf der Stele gelagert war, erhöhte den sakralen Charakter des Raums. Ein Raum, der durch seine Länge, durch sein Weiß, durch sein Licht besticht. Die teilweise blau marmorierten Wände der vorderen Räume griffen das Motiv der Skulptur auf und lenkten den Blick über zwanzig Meter weit auf sie.

nach oben

11.3. – 25.3.88

Spuren

Martha Krämer

Malerei

Martha Krämer, Malerin aus Ecuador, war ein Jahr Mitglied des Ateliers und verlängerte so die Liste der Künstler, für die das Atelier ein Einstieg in die Kölner Kunstszene bedeutete. Aus einem Text im Kölner Wochenspiegel: „Nach den Worten Martha Krämers spiegelt sich in ihren Werken die gesamte Breite der Gefühlsskala der Menschen wider. Mensch, Natur und Technik sind immer wieder Leitbilder ihrer abstrakt gehaltenen Bilder. Mit kontrastierenden Farben und unter Verwendung verschiedener Materialien wie Gips, Hanf und Stoffe erhalten ihre Werke eine besondere Lebhaftigkeit.“



15.4. – 29.4.88

Kopie-Schwarz 2=1

Peter Krabbe

Grafik

Der Titel legt es nahe, eine Ausstellung von bearbeiteten Fotokopien. Kein Wunder, dass der Künstler Peter Krabbe auf diese Technik verfiel, denn wenn man in einer großen Kopierwerkstatt jobbt, sitzt man eindeutig an der Quelle. Ungewöhnliche Experimente, oft auf langen Bahnen aneinander gefügt, gigantische Vergrößerungsformen mit zerrissenen fast schon abstrakten Strukturen, Bewegungsformen, wie man sie auch in der Malerei von Polke wiederfindet. Alles klassisch schwarz-weiß zu langen Sequenzen verbunden.

nach oben

27.5.88

4 Jahre Atelier Sömmering

Beck, Diehl, Franks, Gräbner, Herzog, Hoffmann, Kirsch, My, Peters, Ullrich, Wübbold

Preformance-Soirée

Wie die Zeit vergeht... Vier Jahre gab es den Kunstort jetzt. Anlass für eine erste Jubiläumsveranstaltung. Sieben Performances fanden statt. Den Auftakt machte Ross Franks mit einem Zitat aus seinem „Aphasia“-Projekt. Es folgten Rolf Kirsch, Andreas My und Bernd Peters mit ihrem Medienprojekt „EXP.I.MAT“. Marion Wübbold und Frank Herzog lebten eine Hommage an Frida Kahlo. Ja, und dann Rudolf Hoffmann mal wieder mit Gasmaske, schwarzer Anzugshose und Krawatte; dazu ein Atommodell aus Mohrenköpfen mit Lunte... Peng! Renate Diehl und Wilfried Beck kämpften miteinander unter dem Kreuz, ich kroch übers Glasdach, und Sabine Ullrich hängte nasse Wäsche auf... Wie bei Muttern!

24.6. – 10.7.88

Die süße Trägheit im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit

Robert Kröner

Installation

Dazu Jürgen Kisters im KStA: „Ohne Zucker wäre das Leben nur halb so süß. Auf die Kunst übertragen bedeutet das: Die Installation eines von Zuckerhüten überdeckten Fußbodens, eines von der Decke hängenden mit Honig bestrichenen Fliegenfängers. Zwei Produkte aus der Industriewelt in der Wirkung zwischen Skulptur und Witz. Die Arbeit von Robert Kröner trägt den anspielungsreichen Titel ‚Die süße Trägheit im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit‘. Daran entfaltet sich ein formal geordnetes Feld zwischen offener Assoziationsmöglichkeit und desillusionierender Kargheit.“

nach oben

September 88

Der Gardeoffizier

Dirk Bach, Rudolf Hoffmann

Singspiel

Eine hauseigene Produktion. Rudolf Hoffmann: Gesang, Bühnenbild und Komposition; Dirk Bach: Gesang; Ingo Gräbner: Requisite; Vision Factory: Filmproduktion. Zur Story: Ein österreichischer Gardeoffizier (Hoffmann) kehrt mit einer delikaten Verletzung zurück aus dem Krieg und eröffnet seiner Angebeteten (Bach) die grausame Wahrheit, dass er zur körperlichen Liebe nicht mehr in der Lage ist. K. und k., wie man es sich melodramatischer nicht vorstellen könnte. Dirk Bach herzallerliebst als Jungfrau aus gutem Hause und Rudolf Hoffmann einfach großartig als tragischer Held! Vielleicht störte sein rheinischer Akzent ein wenig...

7.10. – 16.10.88

Auf den zweiten Blick

Ingo Gräbner

Fotoarbeiten

Farbfotografie, vorzugsweise aus dem inszenierten Bereich. Portraits mit Zwischenringen und Tele aufgenommen, um eine überschärfe in den Gesichtern zu erzeugen. Zum Teil sind die Arbeiten während diverser Fotosessions mit Kunststudenten entstanden, die dann auch als Modelle auftraten. Allerdings gibt es auch Selbstportraits, gerne im Spiel mit Tiefenschärfe, mit Bewegungsunschärfe und Diagonalperspektiven. Warum „auf den zweiten Blick“? Oft waren da zweite Beziehungsebenen, die sich nicht auf Anhieb erschlossen...



nach oben

21.10. – 1.11.88

o.T.

Pol Kauka

Malerei

Pol Kauka, 1943 in Jugoslawien geboren. Ausbildung: Gebrauchsgrafik und Malerei in München und Nürnberg. So die Angaben zur eigenen Person. Kaukas Malerei ist figurativ, neo-expressionistisch, üppig in den Farben (Acryl), dramatisch in vielen Motiven. Zum Beispiel erinnere ich mich an das brennende Köln bei Nacht. Feuerreflexe auf dem Rhein mit gespenstischer Domsilhouette... Die Art zu malen entsprach irgendwie dem Menschen: ein ausdrucksstarker, kräftiger, lebensfroher Mann, Pol Kauka.

1.11.88

Wer zieht wen?

Gräbner, Hoffmann, Kubaczyk, Rodenkirchen u.v.a

Kunstprozession

Ein schwarz verhülltes Auto verläßt das Atelier Sömmering, gezogen von schwarzgekleideten Menschen. Aus ihm schlägt dumpf eine Trauerglocke. Ein feierlicher „Marche Funèbre“ pünktlich zu Allerheiligen aus Anlass des Verlustes der Ehrenfelder Stadtrechte vor hundert Jahren. Die Bezirksvertretung hatte zu einem Beitrag der Ehrenfelder Künstler zu den Feierlichkeiten aufgerufen. Wir sind diesem Aufruf gefolgt. Auf einem Trümmergrundstück wird eine schwarze Tonne unter den wehmütigen Klängen einer Querflöte (Norbert Rodenkirchen) ausgegraben. Der Rückweg ins Atelier wird von der Polizei verstellt. Allerheiligen gehört allein der katholischen Kirche. In der Tonne? Zurück im Atelier wird die Tonne geöffnet. In ihr ist nichts.

nach oben

11.11. – 27.11.88

Nehmen Sie sich Zeit für die Kunst!

Jan Schlesinger

Eckobjekte, Skulpturen

Kein Karnevalsscherz, sondern die humorvollen Objekte eines gestandenen tschechischen Künstlers aus Prag, der nach 68 die CSSR verließ und sich hier als Bildhauer einen Namen machte. Auf diesem kulturellen Hintergrund wird der Titel verständlich. Endgültig klar wurde jedem, was damit gemeint war, als Jan Schlesinger während der Eröffnung die Axt nahm, auf einem Holzblock einen Kalender zerhackte und aus den Stücken kleine Objekte fertigte. Seine Eckobjekte hatten natürlich größere Dimensionen. Geometrisch geformt hingen sie als Materialassemblagen in den Raumecken, farbenfroh und hintergründig: Jan Schlesinger.

Dezemer 88

Denk x 100

Gräbner, Hoffmann

Aktionsskulptur

Das Konzept: 100 Ehrenfelder Bürger stiften 100 Gegenstände ihrer Wahl dem Bezirk Ehrenfeld, das Atelier Sömmering fertigt daraus eine Skulptur, die im Ehrenfelder „Rathaus“ ausgestellt wird. Warum? Dieser Stadtteil von ca. 150 000 Einwohnern ist so arm (ein Kulturetat von 20 000 DM für 1988), dass die Künstler umsonst für das Eingemeindungsjubiläum arbeiten sollen. Gesagt, getan – schon stand das schwarz gefärbte Objekt bereit zur übergabe. Bei der Besichtigung der Skulptur im Atelier kommen die Ausflüchte der Bezirksvertretung: „Wir dürfen Schenkungen ohne die Erlaubnis des Stadtrates nicht annehmen.“ Doch, bis zum Wert von 5000,-DM dürft ihr! Also wird der Wert auf 4950,- DM festgelegt und das ‚Denk x 100‘ angeliefert.

nach oben