Mathieu Knippenbergh

1950 in Venlo geboren.
Kunststudium in Maastricht. Lebt und arbeitet in Swolgen in der Provinz Limburg, Niederlande. Einzelausstellungen im Atelier Sömmering 1989 und 1993. Knippenbergh vertrat das Atelier beim Festival TATA OST 93 in Leipzig. Dazu Beteiligungen bei den Projekten “Heiser zieselt das Reh“ (91), TATA WEST 92, „Hau ab, du Sau!“ (98), und der Dialog mit Lilo C. Karsten bei „Zwei in einem Raum“ (93).

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'Faraday Skin' aus dem Projekt 'Zwei in einm Raum' mit Lilo C. Karsten Die Verbindung zu Mathieu Knippenbergh stellte Wolfgang Linneweber, Herausgeber der „Westzeit“, her. Diese grenzüberschreitende Zeitung, ein Pionierprojekt der Euregio, gab einen Einblick in das Kulturschaffen der niederländischen Provinz Limburg, dem Rheinland und dem belgischen Grenzgebiet. Rudolf Hoffmann und ich besuchten Mathieu in seiner Werkstatt und wir waren sofort von seinen Arbeiten begeistert. Die hohe handwerkliche Qualität seiner Skulpturen verband sich mit einer sensiblen Formen- und Materialsprache, die sich mit existentiellen, menschlichen Fragen auseinandersetzte. Orte für Malerei gab es in Köln durch die Galerienflut der Achtziger Jahre genug. Wesentlicher erschienen uns Arbeiten, die eine intensive, eigenständige Ausstrahlung besaßen und eine ungewohnte Interpretation unserer Räume ermöglichten.

'Zunge' Knippenberghs Skulpturen brachten den Ort zum Klingen. Die „Himmelsleiter“ wächst zum Glasdach der Halle immer steiler, schmaler und dorniger hinauf, davor wie beinahe zufällig abgestellt „Bagage“, der Drahtkoffer voller Knochen - das Gepäck, mit dem wir herumlaufen. Das Zusammenspiel der Skulpturen als Elemente einer Lebensreise. Typisch der Verzicht auf Sockel. Die einzige Ausnahme in dieser Hinsicht: “Fatum“, eine orakelhafte Amphore aus Teer, Eisen, Jute, Blei und Glas. Hier war der Sockel aus Holz und mit Teeroberfläche integrativer Bestandteil der Skulptur – das Schicksal, das man ergründen will als ironischer Reflex der ganzen Ausstellung.

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Geh gerade! Die Dominanz der naturbelassenen Materialien und ihre organische Verschmelzung zu sinnlichen und doch nachdenklichen Skulpturen bestimmt die Arbeiten Knippenberghs und setzt sich auch in seinen Installationen der 90er fort. Relativ früh wendet er sich dem Computer und seinen bildnerischen Möglichkeiten zu. Film und Fotografie sind natürlich auch Medien, mit denen Knippenbergh sich beschäftigt. 1995 baut er einen Tunnel in dem Museum van Bommel van Dam in Venlo und projeziert eine Filmschleife auf einen feinen Wassernebel: ein Mann, der immer aufs Neue aufsteht – der Künstler selbst. Ein Thema, das in seinen Arbeiten oft auftaucht und vielleicht seinen unstillbaren Schaffensdrang widerspiegelt. Auf seinem ländlichen Grundstück in der flachen Maaslandschaft entsteht ein großes Labyrinth aus Abrissmaterial mit Wällen, überdachungen und Gängen, mit Erde bedeckt und von Pflanzen überwuchert. Alles allein gebaut. Der Rücken findet das natürlich gar nicht gut. Folgerichtigt kommt die titelgebende Aufforderung an seine große gebückte Skulptur: “Geh gerade!“

Aktion mit Reinhard Rösler zu 'TATA WEST 92' in der Eupener Str. Mathieu Knippenbergh nahm auch sehr aktiv an den TATA WEST und TATA OST Festivals mit dem Mobilen Büro für Erdangelegenheiten aus Leipzig teil. In Köln arbeitete er mit dem Leipziger Holzbildhauer Reinhard Rösler zusammen. Sie stellten vor Ort zwei Einbäume her. Die Fähigkeiten dazu hatte Knippenbergh bei den Asmats erlernt. Die Asmats sind Ureinwohner aus Irian Jaya und für ihr hohes handwerkliches Können in der Holzbearbeitung bekannt. Dieser Studienaufenthalt hatte einen intensiven Einfluss auf das Werk des Künstlers, das sich in einem Spannungsfeld von westlicher Wissenschaft und archaischen Traditionen bewegt. 93 vertrat Knippenbergh das Atelier in Leipzig mit einer Einzelausstellung in der Galerie Lang. Nachfolgend ein Auszug aus der Pressemitteilung:
„Ein Gefühl für die Tiefe des Raumes vermittelt die Installation ‚Himmelskarte‘, die die gesamte linke Hälfte der Galerie beherrscht. Über eine Distanz von sechs Metern spannen sich in exakten Abständen waagerechte und senkrechte Drahtseile zu drei 40cm x 40cm großen Quadraten, die die Wahrnehmung des Besuchers in einer präzisen Flucht auf eine große Himmelskarte an der Wand lenken. Doch der Blick wird gleich im ersten Quadrat durch ein Netz von feinen Spinnweben, die wie Nerven oder sich kreuzende Wege wirken, getrübt. Quadrate und Himmelskreis sind mit ihrer Achse auf ein imaginäres Zentrum bezogen und ihre geometrisch genaue Abstimmung aufeinander wird durch vier Wasserwaagen im mittleren Quadrat bewußt. Die architektonische Kühle und Transparenz dieser Installation schafft einen starken Kontrast zu der in sich gekehrten auf der Erde lastenden Skulptur des Fährmanns.In zwei Wolken aus Glas, Holz, Waben und Honig, die übereinander vor der mittleren Wand hängen, liest der Betrachter ‚word‘ und ‚energy‘ – entstanden aus vielen Waben, die der Künstler mit Wachs gefüllt hat. ‚Wort – Energie‘, vielleicht ist dies der eigentliche Schlüssel zum Verständnis der ganzen Ausstellung.“

'stranger among strangers M. Knippenbergh unter seinem 'Honigtisch' nach oben

1993 kam es zu einer weiteren Begegnung mit Leipziger Künstlern. Im Rahmen des Projekts „Zwei in einem Raum“ traf sich Mathieu Knippenbergh mit Lilo C. Karsten im Atelier Sömmering, um dort eine gemeinsame Installation zu erarbeiten. Die Künstler hüllten sich gegenseitig in Kaninchendraht ein und saßen sich als transparente Skulpturen, jeweils geschaffen vom anderen, im Raum gegenüber: „Faradayskin“.

Überhaupt Kaninchendraht! Dies Material stellt die Basis der Waldamtshelme dar, mit denen die Beamten des Ateliers bei der Ausstellung der Waldpässe zur Tat schreiten. Eine weitere Kreation des Niederländers. Seinen hintergründigen Humor stellte der Künstler in dem dazugehörigen Weihnachtshappening durch den Unterricht des Publikums in einer „Baumschule“ unter Beweis. Der Unterricht fand auf Niederländisch statt.

Knippenberghs Schaffen erstreckt sich auch auf den öffentlichen Raum. Sein großer schwimmender Holzwürfel (3,18 m Kantenlänge), 1972 in einem Eindhovener Parkgelände erbaut, erscheint mir als ein besonders überzeugendes Beispiel für die beinahe lyrische Wirkung seiner Skulpturen. Die leichte Schräglage des „Kubus“, die ein Versinken suggeriert, die farbliche Vielfalt der verwandten Holzplanken, dazu die wuchernden Pflanzen auf der erdbeschichteten Oberseite und die zielsichere Plazierung unter einer großen Trauerweide: das alles vereint sich zu einer äußerst sensiblen Komposition, die den Ort in eine melancholische Poesie hüllt.
Mathieu Knippenbergh arbeitet in jüngster Zeit mit Theaterleuten zusammen. Er entdeckt für sich in seiner rastlosen Gestaltungsenergie immer wieder neue Herausforderungen. Viel Erfolg, Mathieu!

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